Den Raum mit seinen Sinnen erfahren

Stimmungen von Räumen oder Orten lassen sich mit Hilfe vom Energetischen Feng Shui verbessern. Aber was ist Atmosphäre? Darum und ihre sinnliche Wahrnehmung soll es im Folgenden gehen.

Nach der Philosophie des Fernen Ostens bewirkt erst der leere Raum das Wesen der gestalteten Form. Laozi beschrieb es so:

„Aus Ton entstehen Töpfe, aber das Leere in ihnen erwirkt das Wesen des Topfes. Mauern mit Fenster und Türen bilden das Haus, aber das Leere zwischen ihnen erwirkt das Wesen des Hauses.“

Dieses Zitat korrespondiert mit einer anderen schönen Definition, die ich auf atmosphaere-entwerfen.de gefunden habe:

„Atmosphäre ist nicht die „Wirkung“, sondern die „Wirksamkeit“ des Raumes! Es ist eine starke Wechselbeziehung zwischen dem Raum, den darin enthalten Dingen, dem Licht und dem Menschen, der sich im Raum befindet.“

Daraus wird aber auch ersichtlich, dass es Atmosphäre ohne Betrachter nicht geben kann. Die Stimmung in Räumen entsteht erst in der Wahrnehmung des Menschen. Sie ist das Ergebnis all unserer Sinneseindrücke.

Im folgenden möchte ich auf alle Aspekte eingehen, die zur Entstehung des Phänomens beitragen. Dabei bleibe ich der Einfachheit halber bei geschlossenen Räumen.

Form

Vielleicht die wichtigste Komponente überhaupt – denn ohne begrenzende Form gibt es keinen Raum. Üblicherweise wird ein Raum in den 6 Richtungen links, rechts, vorne, hinten, oben und unten von Wänden, Decken und Böden begrenzt. Sie geben uns Orientierung im Raum.

Entscheidend sind die Proportionen der 3 Dimensionen zueinander. Stehen sie in einem Pythagoreischen Verhältnis, so erleben wir den Raum als erhaben oder heilig. Oft ist in diesem Zusammenhang auch die Rede von Architektur als gefrorener Musik. Denn die Verhältnisse der einzelnen Bauteile zueinander, beispielsweise in alten Kirchen, Moscheen oder Tempeln, entsprechen den harmonischen Verhältnissen von Tönen im Quintenzirkel. Und bekanntermaßen hat Musik einen unmittelbaren Einfluss auf unsere emotionale Stimmung.

Andererseits wäre es auch möglich, dass sich in dem Zwischenraum zweier gegenüberliegender raumbildender Strukturen – ähnlich wie beim Casimir-Effekt – nur “Emotionswellen” manifestieren können, deren Frequenzen in den Abstand passen. Diese Wellen wären resonant zu bestimmten Tonfrequenzen.

Material

Mit der Form geht das Material einher. Die verwendeten Baustoffe, das Mobiliar sowie gewebte Stoffe und Teppiche sind unmittelbar mit unseren Sinnen erfahrbar. Wir können sie erspüren, riechen, schmecken, hören und sehen.

Die Erfahrung lehrt uns, dass Materialien leicht oder schwer sein können. Oder dass die Dinge ihren jeweils eigenen Grad an Verformbarkeit, Stabilität, Wärmeleitfähigkeit, etc. aufweisen. Auch deren Textur ist bedeutend: So können Oberflächen zum Beispiel rau oder glatt sein. Oft weisen sie eine mehr oder weniger geordnete Musterung auf, an der wir den (Werk-)Stoff eindeutig als solchen identifizieren können. Aber auch im größeren Maßstab spielt Textur eine Rolle. Fassaden, bei denen die Materialstruktur wechselt oder es Vor- und Rücksprünge gibt, bewerten wir als interessant, weil unsere Augen beim Scannen (zu Deutsch: Abtasten) stärker in Anspruch genommen werden.

Jedoch messen wir Materialen wie Holz, Stein, Beton, Metall, Stoff oder Kunststoff in jeder Epoche eine unterschiedliche Bedeutung bei. Das hat viel mit dem technologischen Stand und der kulturellen Einstellung einer Gesellschaft zu tun. So waren im 19. Jahrhundert Kunststoffimitate von Elfenbeinschatullen wertvoller als die Originale. Heute empfinden wir Produkte aus Plastik als billig, weil es scheinbar unbegrenzt vorhanden ist. Auch hat es aufgrund seiner schieren Menge in Form von Müll einen schlechten Ruf. Doch wie werden wir den Werkstoff in 100 Jahren bewerten, wenn die Ölquellen versiegt sind?

Atmosphäre Plastik Gabel Reflexe Licht durchsichtig schwarz weiß

Licht und Farbe

Raum ist prinzipiell ohne Licht erlebbar. Gleiches gilt für die Atmosphäre. Aber Licht macht es sehenden Menschen möglich die sie umgebenden Strukturen und Materialien aus der Ferne abzutasten. Anderseits kann Licht Dinge in einer anderen Plastizität erscheinen lassen. Diffuses Licht nimmt Räumen, deren Wände aus Sichtbeton bestehen, ihre Härte. Richtig eingesetzt kann der Betrachter sogar den Eindruck von Entgrenzung und Schwerelosigkeit gewinnen.

Begleiter des Lichts sind die Farben. Deren psychologische Wirkung dürfte hinlänglich bekannt sein. Aber auch durch die gewählte Farbpalette lassen sich Aussagen über den Raum treffen. So stehen knallige Farben für Quirligkeit und gedeckte Farben für Gediegenheit.

Die wichtigste Fähigkeit von Licht besteht allerdings darin Dinge mit Bedeutung aufzuladen. Wie spannend wäre ein Theaterstück noch ohne Lichtinszenierung? Oder würden wir uns Gott noch nahe fühlen, wenn der Altar einer Kirche nicht in helles Tageslicht getaucht wäre?

Im zweiten Teil beschäftige ich mich mit den Aspekten, die sich einer rationalen oder wissenschaftlichen Betrachtung (noch) entziehen, aber hoch essentiell bei der Entstehung von Atmosphäre sind.